Der Einkauf in meinem Lieblingssupermarkt hat mich mal wieder nervös gemacht. Ich wusste es vorher. Alle paar Monate erfinden sie neue Produkte, stopfen sie in die Regale und unsereins kann dann sehen, wo er oder sie bleibt. Ich wusste es, spürte es, es war wieder soweit. Ich betrat den Laden, legte Obst und Gemüse, Milch und Toastbrot in den Wagen und näherte mich vorsichtig der Süßigkeitenabteilung. Nicht, dass ich gierig bin und der plumpen Anmache der zahlreichen Billigsorten erliege. Nein, da habe ich eine, auf die ist Verlass. Die kaufe ich seit Jahren. Das Kribbeln beginnt, wenn ich mich den feineren Sorten zuwende, denen in dem länglich schmalen Outfit mit den verführerischen Sirenenrufen. Ich bin ein Odysseus. Ich will da vorbei. Nur fehlt mir die Mannschaft, mich in Stricke zu binden. Ich navigierte also Richtung Edelbitterschokolade und vibrierte dem Ankündigungstext entgegen. Entschlossene, herb-fruchtige Schokolade mit einer Idee würziger Männlichkeit. Ich zitterte. Polyamorös. Das Wort schoss mir in den Kopf. Kann eine Frau mehrere Schokoladen lieben? Zu jeder von ihnen eine echte, tiefe Bindung unterhalten? Polyamorös? Jetzt ist es heraus. Ich liebe die einfache, die unelegant komprimierte, langweilig vertraute Sorte einer gewissen Vollmilchschokolade und ich liebe die anderen, die feinen, sich ewig wandelnden edleren Sorten. Polyamorös, das Wort habe ich heute zum ersten Mal gehört und wusste sofort: Ich gehöre dazu.